Ein neues Modell für die Urpflanze – die mehrjährige Blütenpflanze

Elemente der Naturwissenschaft 103, 2015, S. 28-40 | DOI: 10.18756/edn.103.28

Zusammenfassung:

Zwei unterschiedliche Modelle für die Urpflanze werden vorgestellt. Das erste ist das bekannte Modell einer krautigen, zweikeimblättrigen Pflanze. Das zweite Modell ist neu. Es ist das Modell einer mehrjährigen, zweikeimblättrigen Pflanze. Die Wahl eines Modells gibt die Blickrichtung vor, mit der die Pflanze betrachtet wird. Der Betrachter wird gelenkt. Beim Modell der krautigen Urpflanze wird man veranlasst die Seitenorgane in ihrer Reihenfolge an der Sprossachse von unten nach oben vom Keimblatt bis zum Fruchtblatt zu durchlaufen und miteinander zu vergleichen. Beim neuen Modell der zweijährigen Urpflanze wird der Betrachter zusätzlich angeregt, die aufgehende, vegetative Knospe mit der geöffneten Blüte zu vergleichen. Das alte Modell setzt die Blüte in Bezug zum vegetativen Spross. Beim neuen Modell ist das auch der Fall, zusätzlich wird die Blüte in Bezug gesetzt zur aufgehenden vegetativen Knospe. Die Blattmetamorphose der aufgehenden Knospe zeigt eine klare Gliederung. Drei Bereiche können unterschieden werden: Der Bereich der äusseren verhärteten Knospenschuppen, der Bereich der inneren sich schnell streckenden, farbigen und hinfälligen Knospenschuppen und der Bereich der Stängelblätter. Diese Gliederung findet sich in gesteigerter Form in der Blüte und korrespondiert mit a) dem Kelchbereich, b) dem Kronenblatt -, Staubblattbereich und c) dem Fruchtblattbereich.

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